Wer über Freiheit reden will, muss Freiräume schaffen. Jagoda Marinić trifft alle zwei Wochen Menschen, die mit ihren Worten und ihrem Wirken Debatten auslösen ...
Ihr Name steht seit Jahren für Debattenkultur im deutschen Fernsehen: Sandra Maischberger. Sie hat sich die journalistische Form der kritischen Gesprächsführung ganz zu eigen gemacht und widmet sich in ihrer Polit-Talkshow „Maischberger“ jede Woche den Themen, „die auf den Tisch kommen“. Sie begann als Hörfunk-Reporterin und Moderatorin beim Bayerischen Rundfunk, machte sich aber rasch als Moderatorin von „Live aus dem Schlachthof“, „Talk im Turm“ oder dem Interviewformat „Ich stelle mich“ einen Namen. Ihre Interviews mit Helmut Schmidt gehören zu seinen persönlichsten und auch mit anderen Politgrößen der Bundesrepublik wie Hildegard Hamm-Brücher oder Angela Merkel suchte sie beständig die Auseinandersetzung auf Augenhöhe. Die Liste ihrer Auszeichnungen reicht vom Bayerischen und Deutschen Fernsehpreisen über Medienpreise bis zum Bundesverdienstkreuz.
Für FREIHEIT DELUXE schiebt Sandra Maischberger einmal die aktuellen Themen bei Seite, die „die Politik uns jeden Tag hinlegt“ und gibt tieferen Einblick in die Gedanken und Motive, die ihrer Arbeit zu Grunde liegen. Sie beschreibt Ihren Auftrag, eine gute öffentliche Debatte zu gestalten und „Fragen stellvertretend für alle zu stellen, die es nicht können.“ Dabei loten Jagoda Marinic und Sandra Maischberger die Grenzen der Meinungsfreiheit aus und Sandra Maischberger stellt sich kritischen Fragen: Welche Gäste verträgt etwa eine Talkshow nach demokratischen Begriffen ohne als Propagandatool von Populisten missbraucht zu werden? Doch sie spricht auch über die Projekte, die sie neben dem aktuellen Journalismus über lange Zeit sehr beschäftigen, wie zuletzt der Film „Riefenstahl“ von Regisseur Andres Veiel, bei dem sie nicht nur als Produzentin beteiligt war, sondern selbst den Anstoß gab. So legen die beiden im Laufe des Gesprächs auch frei, was Sandra Maischberger in all ihrer journalistischer Arbeit am meisten antreibt: Herauszufinden, was Wahrheit und was Lüge ist…
Hier hört ihr,
warum es für Sandra Maischberger so wichtig ist, Andersdenkenden ihren Raum zu lassen (4:13)
was sie dazu bewegte, sich mit dem Nachlass von Leni Riefenstahl auseinanderzusetzen (17:05)
wie sie mit der Resonanz auf ihre Sendungen umgeht (34:34)
welche Wege sie sieht, mit vorsätzlichen Lügen in Talkshows umzugehen (44:12)
was für Überlegungen bei der Gästeauswahl ihrer Sendungen eine Rolle spielen (54:42)
was Angela Merkel und Sandra Maischbergers Mann gemeinsam haben (1:04:28)
wie sie über einen „Fehlstart“ an der Uni zum Journalismus kam (1:12:42)
FREIHEIT DELUXE mit Jagoda Marinić ist eine Produktion des Hessischen Rundfunks in Zusammenarbeit mit dem Börsenverein des deutschen Buchhandels.
Redaktionsteam: Andrea Geißler und Christoph Scheffer.
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1:22:42
Steffen Mau – Wie wird die stille Mitte laut?
„Ungleich vereint“ - so heißt das aktuelle Buch des Soziologen Steffen Mau, in dem er zeigt, warum der Osten Deutschlands anders ist und bleiben wird als der Westen. Ein Bestseller, mehrfach ausgezeichnet, der Mut macht und sogar mögliche Lösungen aufzeigt für eines der drängendsten Probleme unserer Gesellschaft, die Krise der Demokratie. Steffen Mau, 1968 in Rostock geboren, schaut genau hin bei seinen Studien, nimmt die Erfahrungen, Enttäuschungen und Hoffnungen der Menschen ernst und schöpft soziologische Erkenntnisse auch aus seiner eigenen Biographie, etwa in seinem Buch „Lütten Klein“, das seinem Heimatstadtteil in Rostock gewidmet ist. Steffen Mau analysiert die gesellschaftlichen Debatten nicht nur, mit seinem freundlichen und unaufgeregten Ton prägt er sie auch mit.
Bei FREIHEIT DELUXE erkundet Steffen Mau gemeinsam mit Jagoda Marinić, warum die Soziologie gerade jetzt eine Renaissance zu erleben scheint. Sie beleuchten, weshalb Krisen zur Freiheit dazugehören und wie die Migrationsdebatte losgelöst von allen Fakten immer schärfer wird. Sie fragen, warum Politiker wie Marco Wanderwitz sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen und ob die Demokratie durch Bürgerräte revitalisiert werden kann. Am Ende bauen sie eine Brücke zwischen Soziologie und Literatur, denn beiden geht es um das Interesse an Menschen und ihren Geschichten.
Hier hört ihr
warum es um die Freiheit immer Konflikte gibt (3:48)
wie schnell sich Dinge heute verändern (7:05)
was es mit der Renaissance der Soziologie auf sich hat (14:05)
warum Politiker in der Debatte über Migration wissenschaftliche Gutachten ignorieren (23:20)
wie sich die Verrohung der politischen Kultur bemerkbar macht (26:09)
wie sich die stille Mitte gegen den rechten Rand Gehör verschaffen kann (39:35)
wie eine Politik des Gehörtwerdens aussehen könnte (44:55)
warum autoritäre Politiker so tun als seien sie omnipotent (56:00)
wie die Pläne der Ampel-Regierung zerbröselt sind (1:05:40)
warum Steffen Mau nicht „der ostdeutsche Soziologe“ sein will (1:12:00)
was Steffen Mau auch mal wütend wird (1:13:40)
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1:19:24
Dinçer Güçyeter – Selfies mit Fatma (und die Nachtigall der Untoten)
Dinçer Güçyeter hatte die Literatur schon im Rucksack, als er in einer großen Halle an der Drehmaschine stand. Während seiner Ausbildung zum Werkzeugmacher glaubte er an ein anderes Leben und träumte von der Lyrik. Else Lasker-Schüler sei seine Lehrerin gewesen, die ihm sagte: „Auch mit deiner Sprache kannst du Literatur gestalten!“ Seither ist für ihn alles Literatur, was er sieht und hört. Dinçer Güçyeter schreibt und verlegt Gedichte in seinem eigenen Verlag, dem Elif-Verlag. Er hat mit seinem Roman „Unser Deutschlandmärchen“ eine vielstimmige Familiengeschichte geschrieben, die auch eine Hommage an die eigene Mutter und das Leben vieler Gastarbeiterinnen ist. Dafür bekam er 2023 den Preis der Leipziger Buchmesse. Im Maxim Gorki Theater und im Theater Münster wurde der Text auf die Bühne gebracht und neben dem Sohn erhielt vor allem auch seine Mutter, Fatma, begeisterten Applaus. Gerade hat er von Nino Haratischwili das Amt des Stadtschreibers von Bergen-Enkheim übernommen, doch zuerst ist er noch einmal in die Ägais geflogen, um die Nachtigall am Friedhof zu hören und etwas Ruhe zu finden.
Für sein Gespräch mit Jagoda hat sich Dinçer Güçyeter eine Kerze angezündet, die er aus Deutschland mitgenommen hatte an die türkische Ägäisküste, denn obwohl er Ruhe sucht vom Trubel, freut er sich auf FREIHEIT DELUXE. Von hier aus erkundet er gemeinsam mit Jagoda Marinić die Prägungen durch die eigene Familiengeschichte: Warum war ihm der Moment so wichtig, als seine Mutter mit ihm auf der Theaterbühne stand? Wann hat er erkannt, dass er seine dichterische Kraft aus den eigenen Wurzeln schöpfen muss? Und was hat für ihn der Abschied vom Gabelstapler bedeutet, den er lange gefahren hat? Zum Schluss macht sich Dinçer auf den Weg in die ägäische Nacht, um seinen Vater auf dem Friedhof zu besuchen. Denn bei den Aleviten heißt es: „Er ist nicht gestorben, er hat sich versteckt.“
Hier hört ihr,
welche gesellschaftlichen Veränderungen Dinçer in der Türkei wahrnimmt (6:22)
was seine Ausbildung an der Drehbank für sein Schreiben bedeutet (18:36)
womit er in seinem Leben einverstanden ist (23:16)
wie er inmitten von Gastarbeiterinnen aufwuchs (32:50)
welche Ambivalenzen es in seiner Erziehung gab (44:36)
wie er durch das Schreiben zu seinen Wurzeln fand (53:02)
welche Schwierigkeiten er auch mit Mitgliedschaften und Gruppierungen im Literaturbetrieb hat (1:08:30)
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1:14:31
Adam Tooze – Freiheitsporno
Adam Tooze ist ein Internationalist mit seltenen universalistischen Fähigkeiten, denn er kann in einem Wimpernschlag den Blickwinkel auf eine Sache ändern. So blickt der gebürtige Brite von seinem Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte an der Columbia University New York nach Deutschland - und warnte beispielsweise vor Christian Lindners "vorsintflutlichen haushaltspolitische Agenda". So schaut er, der in Heidelberg aufwuchs und dort sozialisiert wurde, mit tiefer Kenntnis der deutschen Geschichte auf parallele Entwicklungen in den USA und Deutschland. Als Kind machte er die Erfahrung der unfreiwilligen Migration, inzwischen hat er es sich jedoch zur Aufgabe gemacht, im transatlantischen Dreieck zu vermitteln: Das tut er u.a. mit seinem eigenen Podcast „Ones and Tooze“, seinen preisgekrönten Büchern und zahlreichen Beiträgen für die Financial Times, Wall Street Journal, The Guardian oder Die Zeit.
Bei FREIHEIT DELUXE plaudert Adam Tooze nicht nur aus dem Nähkästchen seiner kommunistischen Großeltern, sondern singt auch aus der politischen Liederfibel seiner Kindheit. Wie sehr ihn der Kontrast zwischen der „deutschen Außenwelt“ und dem englischen Elternhaus geprägt hat, beschreibt er ebenso bildhaft wie die Haltung der kosmopolitischen Großeltern, die „mehrsprachig aus Überzeugung“ waren. Doch Adam Tooze und Jagoda Marinić sprechen nicht nur über die Wahlfreiheiten seines Lebens, sondern kurz vor der Präsidentschaftswahl in den USA intensiv über den zum „Freiheitsporno“ ausartenden Wahlkampf. Er analysiert die gegenseitigen Überbietungsversuche der Republikaner und Demokraten, welche Freiheiten jeweils auf dem Spiel stehen und welche erst gar nicht zur Debatte stehen - wie etwa Mutterschutzregelungen oder Kinderbetreuung. Und schließlich schaffen Jagoda Marinic und Adam Tooze auch noch den Sprung über den Pazifik nach China…
Hier hört ihr,
was das Lied „Die Gedanken sind frei“ für Adam Tooze bedeutet (4:32)
wie er über seinen Großvater denkt, seit er von seinem Doppelleben als Spion weiß (11:31)
welchen Einfluss die Migration seiner Eltern nach Deutschland auf ihn hatte (20:56)
wie die Politik Ängste in die Wählerschaft projiziert (37:30)
warum der superreiche Trump so viele Anhänger in den unteren Schichten hat (46:57)
wie er die Entwicklung Chinas sieht (55:36)
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1:01:59
Kristina Lunz – Die Scham muss die Seite wechseln
She’s a Peacemaker: Kristina Lunz. 2016 arbeitete sie beim Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerilla-Gruppe FARC an der Seite der Frauenorganisation „Sisma Mujer“ mit. Mehrere Jahre war sie für die UN in New York und Myanmar aktiv, bevor sie 2018 das Centre for Feminist Foreign Policy in Berlin gründete. Ins Rollen gebracht hatte ihre internationale Tätigkeit ein Stipendium für ein Studium in Oxford, wo sie in der Friedensforscherin Scilla Elworthy eine inspirierende Persönlichkeit und Mentorin fand. Daneben initiierte sie aber in Deutschland großen Kampagnen mit, wie „Stop Bild Sexism“ gegen den Sexismus der Bild-Zeitung oder #Ausnahmslos, die hervorhob, dass Sexualisierte Gewalt in allen Bevölkerungsgruppen noch immer viel zu präsent ist. 2016 erhielt sie dafür zusammen mit ihren Mitstreiterinnen den Clara-Zetkin-Award und 2019 schaffte sie es auf die Forbes-Liste 30 Under 30.
Bei FREIHEIT DELUXE erzählt Kristina Lunz von den alltäglichen Sexismus-Erfahrungen in dem kleinen fränkischen Dorf, in dem sie aufwuchs. Sie beschreibt, wie sie schon damals die „Übergriffigkeit des Fahrlehrers“ nicht dulden wollte, die Sprache oder Durchsetzungskraft dafür aber noch fehlte. Wie die kleinen Unterdrückungen, die kleine Straflosigkeit und Normalisierung von männlicher Gewalt mit den großen Kriegen am Ende zusammenhängt, analysiert sie zusammen mit Jagoda Marinić - auch am Beispiel des Falls von Gisèle Pelicot. Nicht nur die Abgründigkeit des Falls, sondern ihre Stärke, ihre Parole „Die Scham muss die Seite wechseln“ sind es, die Frauen weltweit bewegen und die eine neue Richtung vorgeben. Eine Richtung, die auch ihre Idee von „feministische Außenpolitik“ einschlägt und den sie als Weg versteht, der nur in kleinen, „Schneckentempo-Schritten“ gegangen werden kann - an dem aber am Ende vielleicht eine friedlichere Zukunft auf uns wartet…
Hier hört ihr,
wo sie zum ersten Mal patriarchale Erfahrungen gemacht hat (4:27)
inwiefern feministisches Denken in den letzten Jahren vielmehr zur Popkultur wurde (14:18)
warum sie die Zeit bei einer kolumbianischen Frauenrechtsorganisation so geprägt hat (24:34)
was aus ihrer Sicht feministische Außenpolitik ausmacht (36:39)
ob er sich als konservativ bezeichnen würde (53:26)
was die Kriminalisierung von Abtreibungen für Auswirkungen hat (1:06:48)
welche Ideen ihr die Friedensforscherin Scilla Elworthy mitgegeben hat (1:23:53)
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