Unser heutiger Gast im studioeins, der "knöchrige König von Nirgendwo", heißt eigentlich Bram Vanparys. Dass der Belgier sich bei der Wahl seines Künstlernamens vom Untertitel eines Radiohead-Songs ("There There") inspirieren ließ und der Titel seines aktuellen Albums "Everybody Knows" in Verbindung mit dem von ihm reklamierten "Reich" an eine 1969er LP von Neil Young erinnert, ist kein Zufall: Sind doch die einen wie der andere dafür bekannt, das weite Feld der Popmusik nach eigenen Regeln zu durchschreiten und somit nicht nur klanglich Vorbilder für Vanparys. Zwischen 2009 und 2018 veröffentlichte seine Majestät fünf Alben, von denen nicht wenige ihren Weg in die heimatlichen (gemeint ist Belgien, nicht Nirgendwo) Charts fanden, und steuerte Songs zu Film-Soundtracks bei. Dass anschließend der sechste Langspieler "Everybody Knows" gut fünf Jahre auf sich warten ließ, sei des Königs "persönlichem Anspruch, sich nie wiederholen und seine kreativen Fähigkeiten ständig übertreffen zu wollen" geschuldet, wie zu lesen war. Im Februar 2024 war es dann endlich so weit und die Geduld wurde belohnt. Songs wie "Are You Still Alive", das sich so kritisch wie pointiert mit dem Einfluss Sozialer Medien auf zwischenmenschliche Beziehungen auseinandersetzt, demonstrieren gekonnt den zugleich traditionsbewussten wie Neues suchenden musikalischen Ansatz von The Bony King Of Nowhere.
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28:12
Mina Richman
Wiglaf Droste prägte einst den Satz von den "schweren Jahren ab dreiunddreißig." Mina Richman setzt mit ihrer am Freitag erscheinenden neuen EP "Past 25" sogar noch eine ganze Ecke früher an – plädiert mit ihren pointierten Texten und feinen Pop-Songs mit aber überzeugend dafür, das Älterwerden nicht zu fürchten, sondern als Chance oder gar als Privileg zu schätzen. Überhaupt ist (Selbst-)Akzeptanz ein großes Thema der 1998 in Berlin geborenen und in Bad Salzuflen aufgewachsenen Deutsch-Iranerin: In der Vorab-Single "A.D.H.D." beispielsweise besingt sie so selbstironisch wie -bewusst das Leben als neurodivergente Person mit Konzentrationsschwierigkeiten auf der einen und überschäumender Kreativität auf der anderen Seite der Medaille: "If you ask me, it’s not a disease and I wouldn’t trade it, cause it makes me so creative!" Ganz dem berühmten Gebet von Reinhold Niebuhr entsprechend, weiß die queere Musikerin aber nicht nur den unveränderbaren Gegebenheiten Positives abzugewinnen, sondern diese auch von nicht hinnehmbaren Ungerechtigkeiten zu unterscheiden – und besitzt den Mut, ihre Stimme in der Hoffnung auf Verbesserung zu erheben. So wurde ihr Song "Baba Said" 2022 zu einer der inoffiziellen Hymnen der iranischen Frauenrechtsbewegung und stand sie zwei Jahre später mit Bela B auf der Bühne, um bei einer Berliner Demo gegen Rechtsextremismus mit ihm den Ärzte-Klassiker "Schrei nach Liebe" zu spielen. Im selben Jahr erschien auch ihr erster Langspieler "Grown Up", den der Musikexpress zum "bemerkenswertesten Debütalbum dieses Frühjahrs" kürte. Nun legt Mina Richman also mit "Past 25" nach und geht damit in Kürze auch auf große Deutschland-Tour, die am 6. April in Berlin Station macht. Wir sind gespannt, was sie darüber im Interview zu erzählen hat und freuen uns darauf, anschließend auch schon den ein oder anderen neuen Song live zu hören, wenn sie uns heute im studioeins besucht.
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18:16
Sweed
Es ist fast genau ein Jahr her, dass die eigentlich für den Abend des 28. März 2024 in studioeins eingeladene Band kurzfristig absagen musste. Spontan sprang ein junger Mann namens Niklas Schwedt ein, der unter dem Namen Sweed gerade mal ein, zwei Handvoll Songs veröffentlicht hatte. Über jeden Verdacht bloßer Pflichterfüllung als etwaiger Lückenbüßer erhaben, brachte der Mittzwanziger nicht nur das anwesende Publikum im Nu dazu, bis dato unbekannte Lieder beseelt mitzusingen, sondern hinterließ auch bei uns einen so positiven Eindruck, dass wir ihn nun gerne ein weiteres Mal ins Bikini-Haus bitten wollen. Denn mittlerweile ist sein Debütalbum fertig, an dem er damals gerade arbeitete, wie er im Interview erzählte. "Bittersweed" heißt es, und erscheint heute. Darauf begibt sich der gebürtige Biberacher und Wahlberliner mittels emotionaler Pop-Songs auf Erkundungstour durchs eigene, von einer frühen ADHS-Diagnose mitgeprägte Seelenleben, auf der Suche nach Selbstakzeptanz aber auch mit offenem Auge für zwischenmenschliche Beziehungen. Nach der gestrigen Album-Release-Show im Badehaus geht heute sozusagen die Veröffentlichungsfeier passenderweise im Bikini-(Haus) weiter, wo uns Sweed für ein Interview und natürlich eine kleine Live-Darbietung besucht.
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17:53
Lasse Mathiessen
Schon früh von seinem Vater, einem Jazz-Pianisten und -Produzenten, mit dessen großer Musikbegeisterung angesteckt, brachte für den gebürtigen Kopenhagener Lasse Matthiessen der Umzug nach Berlin ein Erweckungserlebnis mit sich: Dort habe er "herausgefunden, was mir am meisten liegt: Mir einfache Melodien auszudenken und eine Menge Stimmung um sie herum zu legen. Ich hatte immer schon Lieder geschrieben, ab da beschloss ich, sie so einfach wie möglich zu halten." Gesagt, getan, gelungen – wie zuletzt sein 2022er Album "Dreams Don't Make Noise" belegt. Dessen nachtblauer Pop-Sound mit einem Mix aus organischen Synthesizern, elektronischen Beats und samtigen Bass-Lines bietet den idealen Rahmen für Matthiessens zugleich intim-verletzlich und kraftvoll klingende Stimme, die zu einem Abenteuer in diesen ganz besonderen Stunden irgendwo zwischen Schlaf und Wachsein einlädt. Apropos Einladen: Dies taten bereits Größen wie Anna Calvi, Glen Hansard, Suzanne Vega und Clueso, die allesamt Lasse Matthiessen baten, bei ihren Auftritten das Vorprogramm zu bestreiten. Auch eigene Headliner-Konzerte des Dänen stießen auf große Resonanz, wie etwa Ende 2022 in der Kantine am Berghain. Nun kehrt er zurück auf eine Hauptstadtbühne, und hat für die Show im Badehaus nicht nur die Unterstützung seiner kompletten Band, sondern zudem noch neue Musik angekündigt.
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25:04
Güner Künier
Die Berliner Musikerin veröffentlicht am 21. März ihr zweites Album mit Songs zwischen Post- und Elektro-Punk. Die 1990 in Izmir geborene und in Flensburg aufgewachsene Güner Künier zog es 2014 nach Berlin, um dort ihr Studium des Wirtschaftsingenieurswesens abzuschließen. Als dies vollbracht war, widmete sie sich ganz der Kunst – neben Tätigkeiten als Schauspielerin schlägt ihr Herz besonders für die Musik: 2021 veröffentlichte sie ihre Debüt-EP "Flexel", der schon ein Jahr später das erste Album "Aşk" sowie Tourneen mit Auftritten in Deutschland, den Niederlanden, England, der Schweiz und Österreich folgten. Am 21. März erscheint ihr zweites Album "Yaramaz", vor einigen Wochen bereits durch die Singles "Cash Cash Exercise" und "Sabahlar" angekündigt, von denen Letztere auch beispielsweise in der radioeins-Sendung "Laut & Kantig" vorgestellt wurde. Heute besucht Güner Künier uns als unsere Lokalmatadorin, um im Interview über ihre neuen Songs zwischen Post-Punk und Synth-Wave zu sprechen, mit denen sie ihre eigene Coming-of-Age-Geschichte erzählt, sich mit gesellschaftlichen und familiären Erwartungshaltungen auseinandersetzt und den mühsamen Prozess der Selbstermächtigung thematisiert.